Prof. Dr. Rabea Hinkel

Prof. Dr. Rabea HinkelDeutsches Primaten-Zentrum (DPZ), Göttingen

Xenotransplatation: Chance aus dem Organmangel?
Das Problem des Organspendermangels spitzt sich zu: Im Jahr 2024 warteten in Deutschland zum Stichtag 664 Patienten auf ein Spenderherz, es standen jedoch nur 350 Spenderorgane für Transplantationen zur Verfügung. Gleichzeitig verstarben im Jahr 2024 über 600 Personen die auf ein Spenderherz gewartet haben. Die Xenotransplantation, also die Übertragung von tierischen Organen in den Menschen, könnte ein Weg aus diesem Dilemma sein. Ein Ansatz ist die Verpflanzung von Schweineherzen zunächst in Affen und, sollte dies gelingen, letztendlich in Menschen. Problematisch bei der Xenotransplantation sind akute und meist tödliche Abstoßungsreaktionen. Das menschliche Immunsystem bekämpft die übertragenen tierischen Organe, da sich bestimmte Oberflächenproteine im transplantierten Gewebe von denen des Menschen unterscheiden. Die Schweine, deren Herzen für die Verpflanzung genutzt werden sollen, müssen deshalb erst genetisch verändert werden. Dabei werden beispielsweise bestimmte Gene ausgeschaltet, die für die Oberflächenproteine auf den Organen kodieren.

In Tierexperimenten wurden bereits sehr gute Ergebnisse mit diesem Ansatz erreicht: Paviane mit transplantierten, genetisch veränderten Schweineherzen überlebten, z. T. bis zu sechseinhalb Monaten nach Transplantation in einem Überlebensmodell. Dies gelang durch eine multiple genetische Veränderung der Schweine (Spender) wie auch ein verbessertes Immunsuppression Regime (Empfänger) nach der Transplantation. Die genetischen Modifikationen im Schwein zielen darauf ab, die Immunreaktion in den Pavianen und eine übermäßige Blutgerinnung in den Blutgefäßen des Herzens zu verhindern. Im zweiten Ansatz änderten sie die Prozedur der Organerhaltung. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Präservation der Organe nach Explantation und vor Implantation. In einem neuen Ansatz werden die Schweineherzen nach der Entnahme, nicht wie bislang üblich, einmal mit einer Nährlösung zu behandeln und danach auf Eis zu lagern, sondern mit einer blutbasierten, sauerstoffhaltigen Schutzlösung bei acht Grad Celsius bis zur Implantation perfundiert. Im weiteren Verlauf wurde der Blutdruck der Paviane gesenkt, die Blutgerinnung verhindert und die Zellteilung in den Schweineherzen blockiert. Letzteres ist besonders wichtig, da die Herzen der Schweine andernfalls nach der Transplantation weiterwachsen und für den Brustkorb der Paviane zu groß werden. Außerdem wurden die Paviane einer auf den Menschen übertragbaren Immunsuppression unterzogen und damit die Abstoßungsreaktionen geringgehalten.

Neben dem Herz, welches für das Überleben des Patienten essentiell ist, ist auch die Niere in den letzten Jahren stark in den Fokus für eine Xenotransplantation gerückt. In beiden Organsystemen hat die biomedizinische Forschung große Fortschritte, bis hin zu den ersten Ansätzen im Menschen, gemacht.

Zur Person
Prof. Dr. Rabea Hinkel ist Leiterin der Abteilung Versuchstierkunde am DPZ. Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam studiert sie Herzkreislauferkrankungen im Tiermodell, speziell die Herzinsuffizienz, und die Auswirkungen von Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck oder erhöhte Blutfettwerte, um neue Therapien für diese Risikogruppen zu entwickeln. Ein weiterer Fokus ihrer Forschung liegt auf der Xenotransplantation. Ziel der Studien ist die Nutzbarmachung von tierischen Organen, beispielsweise von Schweinen, für den Menschen, um dem weltweiten Organspendermangel zu begegnen. Darüber hinaus forscht Rabea Hinkel schwerpunktmäßig an Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, um die Belastungen von Versuchstieren zu reduzieren und Versuche zunehmend durch Alternativmethoden zu ersetzen. Rabea Hinkel studierte Veterinärmedizin in Gießen und promovierte 2009 an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) in der Inneren Medizin. Anschließend arbeitete sie als Postdoktorandin und Tierärztin für Versuchstierkunde an der LMU München, bevor sie 2015 in die Innere Medizin des Klinikums rechts der Isar der TU München und an das Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Herzkreislauferkrankungen der LMU wechselte. Seit Juli 2018 ist sie gemeinsame Professorin für Versuchstierkunde an der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover und am DPZ.