Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Essen ohne Mund: Symbiosen zwischen darmlosen Meerestieren und Bakterien
Ende der 1970er Jahre gelang Forschern eine der größten biologischen Sensationen des 20. Jahrhunderts. Sie entdeckten blühende Lebensgemeinschaften mit einer vollkommen fremden Tierwelt an heißen Quellen in der Tiefsee in 3000 Meter Wassertiefe. Vor dieser Entdeckung dachte man, dass solch reichhaltige Ökosysteme fernab vom Sonnenlicht nicht existieren könnten. Heute wissen wir: Symbiosen bilden die Grundlage dieser Lebensgemeinschaften zwischen Bakterien und Tieren. Die symbiontischen Bakterien nutzen energiereiche Verbindungen aus den heißen Quellen, wie Schwefelwasserstoff und Methan, um ihre Wirte, die Tiere, zu ernähren. Manche Tiere haben sich so gut an die Ernährung durch ihre Symbionten angepasst, dass sie ihren Mund und Darm komplett zurückgebildet haben. Diese Symbiosen sind enorm vielfältig und kommen nicht nur in der Tiefsee, sondern auch in vielen Flachwasserlebensräumen vor wie Korallenriffen oder Seegraswiesen. Das zeigt, dass nicht nur Wettkampf und die Selektion des Stärkeren zur Artenvielfalt führen, sondern auch Symbiosen und Kooperation treibende Kräfte der Evolution sind.
Zur Person
Nicole Dubilier (* 16. Januar 1957 in New York City) ist eine US-amerikanisch-deutsche mikrobiologisch arbeitende Meeresbiologin, Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und seit 2012 Biologie-Professorin an der Universität Bremen. Die Tochter eines US-amerikanischen Geschäftsmanns und einer deutschen Mutter wuchs zunächst auf im New Yorker Stadtteil Manhattan. Als 13-Jährige zog sie mit der Mutter und den Geschwistern nach Deutschland. Sie konnte kaum Deutsch, aber lernte es schnell. Aufgrund ihrer seit der Kindheit ungebrochenen Begeisterung für das Meer arbeitete sie parallel zum Biologie-Studium an der Universität Hamburg von 1977 bis 1981 als studentische Forschungsassistentin in der Biologischen Anstalt Helgoland mit. Das war ausschlaggebend für ihre Spezialisierung auf Meeresbiologie. Sie machte 1981 ihr Vordiplom in Biologie, 1985 ihr Diplom in Zoologie, Biochemie und Mikrobiologie an der Universität Hamburg. Für ihre Doktorarbeit sammelte und analysierte sie Wattwürmer.
Als Post-Doc erhielt sie eine Einladung der Mikrobiologin Colleen Cavanaugh, in ihrem Labor an der Harvard University am NSF-Projekt „Biogeography of Chemoautotrophic Symbioses in Marine Oligochaetes“ zu arbeiten. Sie sequenzierte die 16S RNA Gene, die als phylogenetische Marker dienen, bei Bakterien auf darmlosen Meereswürmern, und konnte nachweisen, dass diese zwei Symbionten beherbergen. Nach Veröffentlichung ihrer Post-Doc-Forschung 1995 kehrte Dubilier gemeinsam mit ihrem deutschen Ehemann, einem orthopädischen Chirurgen, nach Deutschland zurück. 1996 wurde ihre Bewerbung beim Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie als Wissenschaftlerin der Molecular Ecology Group angenommen.
Ab 2001 wurde Dubilier zur Gruppenleiterin befördert und führte seitdem die Forschungsgruppe Symbiosis am MPI. 2002 bis 2006 war sie zudem Koordinatorin der „International Max Planck School of Marine Microbiology“. Im Jahre 2007 wurde sie auf eine W2-Stelle befördert und fortan Leiterin der gesamten Symbiose-Gruppe am MPI bis 2013. Im Wintersemester 2004/2005 übernahm sie eine zweimonatige Gastprofessur an der Universität Pierre und Marie Curie in Paris. Seit 2012 ist sie Biologie-Professorin für mikrobielle Symbiosen an der Universität Bremen. Seit 2013 ist sie Direktorin des MPI-MM. Sie organisierte die im Juni 2015 stattfindende Gordon Research Conference: Identifying the Common Language of Host-Microbe Associations in Waterville Valley, New Hampshire. Die Forscherin ist Teil des Exzellenzclusters der DFG an der Universität Bremen namens MARUM – The Ocean in the Earth System.