Helmholtz Zentrum, München
Vererbung erworbener Eigenschaften – was Darwin und Lamarck bereits ahnten
Die Erforschung und Charakterisierung krankheitsrelevanter Genvarianten hat in den letzten beiden Jahrzehnten unglaublich viel an Wissen und Daten generiert. Genetische Elemente können in mutierter Form erblich bedingte Krankheiten hervorrufen. Diese sind im Einzelfall selten, aber in der Summe häufig. Bei komplexen Erkrankungen, wie z.B. kardiometabolischen Erkrankungen, spielen viele Genvarianten gleichzeitig eine Rolle, wobei auch Umweltfaktoren maßgeblich an der Pathogenese beteiligt sein können.
Am Beispiel des Diabetes mellitus werden aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert, die belegen, dass neben der klassischen Vererbung über DNA-Varianten auch die epigenetische Vererbung erworbener Eigenschaften bei der Entstehung der Erkrankung eine Rolle spielt. Dass dies keinen Widerspruch zu Darwins Evolutionstheorie darstellt, mag erstaunen und wird diskutiert.
Zur Person
Prof. Martin Hrabě de Angelis erforscht die Rolle der Genetik in Gesundheit und Krankheit mit dem Schwerpunkt der pathophysiologischen Aufklärung von Diabetes. Dabei nimmt die Entwicklung von Datenbanken und die Anwendung moderner Data Mining Methoden einen hohen Stellenwert ein.
Er studierte Biologie (Lehramt) in Marburg und promovierte 1994 über den Einfluss von Wachstumsfaktoren auf die frühe Embryonalentwicklung. Während seiner Zeit als Postdoc am Jackson Laboratory in Bar Harbor (USA) untersuchte er den Delta/Notch Signalweg und Modelle zur Somitogenese. Seit 2000 ist er Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik am Helmholtz Zentrum München. 2003 wurde er auf den Lehrstuhl für Experimentelle Genetik an der TUM berufen. Zugleich ist er Direktor des europäischen Forschungskonsortiums „INFRAFRONTIER“.
2001 gründete er am Helmholtz Zentrum München die German Mouse Clinic (GMC) zur systemischen Analyse von Modellen für menschliche Erkrankungen. Hrabě de Angelis ist Autor von über 600 Forschungsartikeln, die >39.000 mal zitiert wurden. Er leitet Forschungsprojekte auf nationaler sowie internationaler Ebene und ist Gründer und Vorstand des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
Am Mausmodell hat Hrabě de Angelis mit seinem Team nachgewiesen, dass durch Ernährung verursachte Fettleibigkeit und Diabetes sowohl über Eizellen als auch über Spermien epigenetisch an die Nachkommen vererbt werden können. Durch großangelegte genetische Untersuchungen gelang es ihm, ein Netzwerk aus Genen zu identifizieren, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Stoffwechselerkrankungen wie beispielsweise Diabetes spielen könnten.
2016 erhielt er die Ehrendoktorwürde (Dr. med. h.c.) der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und 2018 die Ehrendoktorwürden (Dr. vet. med. h.c.) der Ludwig-Maximilians-Universität München und (Dr. med. h.c.) der Technischen Universität Dresden. Ebenso ist er seit 2018 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Hrabě de Angelis entwickelte in Gründerteams wissenschaftliche Ideen bis zur Innovation und ist erfolgreicher Mitgründer mehrerer Biotech-Firmen.