MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Leben im Untergrund der Tiefsee – die tiefe Biosphäre
Wissenschaftler sind erst in den letzten Jahrzehnten durch wissenschaftliche Bohrungen in den Untergrund der Tiefsee auf sie gestoßen: die Tiefe Biosphäre beschreibt ein riesiges mikrobielles Ökosystem unter dem Meeresboden, das sich je nach geographischer Lage bis mehrere Kilometer in den Untergrund erstreckt. Abschätzungen auf Basis der Zellkonzentrationen suggerieren, dass dieses Ökosystem mindestens so viel Biomasse beherbergt wie der gesamte Ozean. Als Energie- und Nahrungsquelle dient entweder das ursprünglich aus der Photosynthese stammende organische Material abgestorbener Meeresbewohner, das in Sedimenten abgelagert wird, oder Substrate die durch geologisch angetriebene Gesteins-Wasser gebildet werden. Viele Fragen bleiben unbeantwortet und sind daher im Fokus aktueller internationaler Großprojekte wie dem International Ocean Discovery Program, das mit Hilfe großer Bohrschiffe dieses riesige Habitat unter die Lupe nehmen. Welche Organismen leben dort und welche biogeochemischen Prozesse betreiben diese? Welche Wechselwirkungen existieren zwischen der Tiefen Biosphäre und den Lebensräumen an Land und im Ozean? Welche Faktoren begrenzen die vertikale Ausdehnung mikrobiellen Lebens und definieren die unteren Grenzen der bewohnbaren Zone unserer Erde? Anhand von Beispielen aus aktuellen Projekten werde ich erste Antworten auf einige dieser Fragen aufzeigen. Einen Schwerpunkt werde ich dabei auf die mit 2,5 km bisher tiefste jemals durchgeführte Probenahme aus dem Untergrund des Ozeans setzen und dabei die Indizien auf mikrobielles Leben in diesen großen Tiefen beleuchten.
Zur Person
Kai-Uwe Hinrichs verbindet in seinen Forschungen die Geochemie mit der Mikrobiologie. Er interessiert sich vor allem dafür, wie bestimmte Mikroorganismen den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen und welche Auswirkungen diese Prozesse auf unseren Planeten haben. Schon früh konnte Hinrichs zeigen, dass die tiefe Biosphäre des Ozeans von Archaeen belebt ist, die nicht nur an der Bildung von Methan, sondern auch an bis dahin kaum erforschten Bildungsprozessen komplexerer Kohlenwasserstoffe wie Ethan und Propan beteiligt sind. Bereits hier wandte Hinrichs eine selbstentwickelte Methode an, bestimmte organische Moleküle – sogenannte Biomarker – in geologischen Umweltproben zu untersuchen, um mikrobielle Prozesse zu identifizieren und zu quantifizieren. In weiteren Arbeiten befasst er sich mit Massensterben von Organismen, evolutionären Nischen und Archaebakterien, was über die Biogeochemie hinaus auch für die Evolutionsbiologie und die Forschung nach dem Ursprung des Lebens von Bedeutung ist.
Von Hause aus Chemiker, spezialisierte sich Kai-Uwe Hinrichs mit seiner Diplomarbeit in Oldenburg auf die Organische Geochemie, in der er auch promovierte. Seinen späteren Forschungsschwerpunkten wandte er sich erstmals als Postdoktorand am weltberühmten Ozeanographischen Forschungsinstitut von Woods Hole/USA zu, wo er anschließend auch als Assistenzprofessor tätig war, bevor er 2002 an die Universität Bremen berufen wurde. Dort ist er neben seiner Professur am Department für Geowissenschaften auch maßgeblich am Bremer Forschungszentrum und Exzellenzcluster MARUM beteiligt. Zuletzt erhielt Hinrichs einen der begehrten „Advanced Grants“ des European Research Council.