Massachusetts Institute of Technology, Cambridge (USA)
Mathematische Modellierung weicher und biologischer Materie – von „smarten“ Golfbällen zur embryonalen Strukturbildung
Ein zentrales Thema unserer Forschung ist die Entwicklung quantitativer mathematischer Modelle zur Beschreibung und Vorhersage komplexer Strukturbildungsvorgänge in weichen Materialien und multizellulären Modellorganismen. Dieses Ziel verfolgen wir in enger Zusammenarbeit mit Experimentalphysikern und Biologen in den USA, Grossbritannien und Deutschland. Von besonderem Interesse ist dabei die Entwicklung vielseitig einsetzbarer analytischer und numerischer Methoden, die es erlauben, oberflächlich sehr verschieden erscheinende Phänomene mittels ähnlicher mathematischer Gleichungen zu beschreiben. Wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung dieses Vorhabens ist die Identifizierung „universeller“ physikalischer oder biologischer Prinzipien, die sich mathematisch sinnvoll and effektiv erfassen lassen. In diesem Vortrag werde ich versuchen, die zugrundeliegenden allgemeinen Ideen und Konzepte anhand einiger konkreter Beispiele aus unserer derzeitigen Forschungsarbeit zu veranschaulichen. So werden wir sehen, dass sich Molekülbewegungen in Flüssigkeiten, Aktienkurse und bakterielle Dynamik in Biofilmen durch eng verwandte Gleichungen modellieren lassen und dass die Untersuchung von Mustern auf der Oberfläche von gekrümmten doppelschichtigen elastischen Materialien hilfreiche Einsichten in die mathematische Beschreibung von Strukturbildungsprozessen in der Embryonalentwicklung liefern kann. Im letzten Teil werde ich noch kurz auf zukünftige Herausforderungen in der mathematischen Datenanalyse eingehen, die sich aus kürzlich erzielten experimentellen Fortschritten im Bereich der Mikrofluidik und Zellbiologie ergeben.
Zur Person
Jörn Dunkel studierte Physik und Mathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er promovierte im Jahr 2008 am Institut für Physik der Universität Augsburg bei Peter Hänggi. Er forschte bei Julia Yeomans am Rudolf Peierls Centre for Theoretical Physics der Universität Oxford und bei Ray Goldstein am Department of Applied Mathematics and Theoretical Physics der Universität Cambridge. Er wurde 2013 als Professor für Physikalisch-Angewandte Mathematik ans MIT in Cambridge (USA) berufen.
In seiner Forschungstätigkeit beschäftigt sich Jörn Dunkel mit dem kollektiven Verhalten von Mikroorganismen, den Ordnungsprinzipien in Biofilmen, der Musterbildung und topologischen Defekte in heterogenen elastischen Materialien, Strukturbildungsprozessen in der Embryonalentwicklung und nichtlinearer Dynamik, stochastischen Prozessen und hydrodynamischen Kontinuumsmodellen.
Jörn Dunkel war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, er erhielt den Humboldt-Preis und den Lise-Meitner-Preis der Humboldt-Universität zu Berlin, den Erich-Krautz-Preis der Universität Augsburg, den Gustav-Hertz-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und den Edmund F. Kelly Research Award des MIT.