Nobelpreisträger für Chemie 2014
Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen und Max-Planck-Institutfür medizinische Forschung, Heidelberg
Grenzenlos scharf: Lichtmikroskopie im 21. Jahrhundert
Während des gesamten 20. Jahrhunderts war es eine weithin akzeptierte Tatsache: ein Lichtmikroskop, das herkömmliche Linsen verwendet und somit im optischen Fernfeld arbeitet, kann keine feineren räumlichen Details auflösen als ungefähr die halbe Lichtwellenlänge (>200 nm). In den 1990er Jahren jedoch wurde entdeckt, dass eine Überwindung der klassischen Beugungsgrenze in der Tat möglich ist und dass fluoreszente Probenstrukturen mit einer Auflösung nahe der molekularen Skala untersucht werden können.
In diesem Vortrag werden die einfachen und gleichzeitig sehr mächtigen Prinzipien erläutert, die es erlauben, die auflösungsbegrenzende Rolle der Beugung im optischen Fernfeld zu neutralisieren. Im Kern geht es darum, Probenmoleküle, die näher beieinander liegen als der durch die Beugungsgrenze diktierte Mindestabstand, in unterschiedliche (Quanten-)Zustände zu überführen, damit sie für ein kurzes Zeitintervall zur Detektion unterscheidbar gemacht werden. Im Ergebnis wird die alte Auflösungsgrenze radikal überwunden, und das Innere transparenter Proben wie zum Beispiel Zellen und Gewebe kann nun nichtinvasiv, mit fokussiertem Licht und in 3D, auf der Nanoskala abgebildet werden.
Neben den Grundlagen werden einige der neueren Fortschritte in diesem Forschungsgebiet aufgezeigt. Auch wird kurz die Relevanz der „fernfeldoptischen Nanoskopie“ für verschiedene Bereiche, darunter die Lebens- und Materialwissenschaften, an Beispielen verdeutlicht.
Ein erneuter Blick auf die Grundlagen zeigt, wie eine eingehende Betrachtung der grundlegenden Prinzipien der Nanoskopie zu neuen Konzepten wie MINFLUX, MINFIELD und DyMIN geführt hat. Obwohl sich diese Ansätze in einigen Aspekten unterscheiden, nutzen sie doch alle ein lokales Intensitätsminimum (eines Doughnut-Profils oder einer stehenden Welle) um die Koordinaten des/der zu erfassenden Fluorophors/-e zu bestimmen. Auf besonders eindrucksvolle Weise hat so jüngst die MINFLUX-Nanoskopie, unter Verwendung eines Intensitätsminimums von Anregungslicht für die Bestimmung der Fluorophor-Position, die ultimative (Hoch-)Auflösung erreicht: die Größe des Moleküls selbst.
Zur Person
Stefan W. Hell ist wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen. Hier leitet er die Abteilung für NanoBiophotonik. Stefan Hell ist auch Honorar-Professor für Experimentalphysik an der Universität Göttingen und apl. Professor für Physik an der Universität Heidelberg. Seit 2003 leitet er außerdem die Kooperationsabteilung für Optische Nanoskopie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Er ist auch Mitglied des Vorstands des Laser-Laboratorium Göttingen und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und zu Heidelberg. Im Jahre 2008 erhielt er einen Ruf nach Harvard, den er 2009 ablehnte.
Stefan Hell studierte Physik an der Universität Heidelberg und schloss sein Studium 1990 mit der Promotion ab. Von 1991 bis 1993 arbeitete er am EMBL (European Molecular Biology Laboratory) in Heidelberg, gefolgt von Aufenthalten an der Universität Turku, Finnland (1993 – 1996) und an der Universität von Oxford, England (1994). 1996 habilitierte er sich in Physik an der Universität Heidelberg. 1997 wurde er zum Leiter einer selbständigen Max-Planck-Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen berufen, wo er seine Forschung zur optischen Mikroskopie jenseits der Beugungsgrenze etablierte. Nach mehreren Rufen in die USA, Großbritannien, Deutschland und Österreich wurde Stefan Hell im Oktober 2002 zum Direktor am Göttinger Max-Planck-Institut berufen. Stefan Hell hat mehr als 300 Originalarbeiten veröffentlicht, die sich vor allem auf das Durchbrechen der von Ernst Abbe 1873 formulierten Beugungsgrenze in der fokussierenden Lichtmikroskopie richten, für das er Pionierarbeit geleistet hat. Seine Arbeiten wurden im Jahr 2014 mit dem Kavlipreis in Nanoscience und dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Seit 2016 ist Hell außerdem Direktor am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg.